Osterholzer Kreisblatt vom 13.03.09
"Dann ist man in einer Art Flow-Erlebnis drin"
Pennigbüttels Hauke Böttcher über das total verrückte Kreisligaspiel beim VSK III
Solche Fußballspiele gibt es nicht alle Tage. Eine Viertelstunde war noch zu spielen, da lag der SV Komet Pennigbüttel im Gastspiel in der Kreisliga Osterholz beim VSK Osterholz-Scharmbeck III scheinbar aussichtslos mit 0:3 zurück. Am Ende
jubelten aber die Pennigbütteler nach einer spektakulären Schlussphase über einen 5:3-Sieg. Unser Redakteur Werner Maaß sprach mit dem zweifachen Pennigbütteler Torschützen Hauke Böttcher über dieses total verrückte Fußballspiel.
Frage: Jetzt mal Hand aufs Herz: Bei einem 0:3-Rückstand eine Viertelstunde vor Schluss denkt man doch, dass die Partie gelaufen ist, oder?
Hauke Böttcher: Nach dem Tor zum 0:3 habe ich gedacht, dass kann doch nicht wahr sein, das war’s dann wohl.
Da haben Sie sich doch garantiert gedacht, auf das Gemecker vom Trainer nach dem Spiel in der Kabine kann ich ganz getrost verzichten.
Kritik gehört einfach dazu. Der muss man sich stellen, wenn man nicht die entsprechende Leistung gebracht hat. Da gehört es dazu, dass einem der Trainer mal die Leviten liest.
Dann ist eine Viertelstunde vor Schluss das Tor zum 1:3 gefallen . . .
In der Kreisliga geht oftmals alles ziemlich schnell. Wir wussten, dass da noch was geht. Und dann fiel ziemlich schnell das Tor zum 2:3.
Was ging da konkret in Ihrem Kopf vor?
Jetzt erst recht. Besonders nach dem Ausgleichstor, das dann ja auch gleich gefallen ist, wussten wir, wir bleiben am Ball, wir spielen weiter nach vorne und setzen die unter Druck. Wenn man mal ein bisschen einen Hobbypsychologen spielt, dann weiß man, was in den Köpfen der VSK-Spieler zu diesem Zeitpunkt los gewesen sein muss.
Bestand nach dem 3:3-Ausgleich nicht die Gefahr, dass die Mannschaft zu viel will? Beispiel Hoffenheim gegen den SV Werder. Werder führt 4:1, Hoffenheim gleicht zum 4:4 aus, doch dann kippt das Spiel erneut und Werder macht das 5:4.
Wir waren ein Mann mehr, da muss man weiter am Ball bleiben. Im Prinzip alles oder nichts. Bei der Drei-Punkte-Regel ist ein Unentschieden fast wie eine Niederlage. Und eine Parallele zu Werder gegen Hoffenheim hat sich hier nicht angedeutet. Der VSK hat gar nichts mehr gemacht. Die haben komplett abgeschaltet.
Dann wurde es also nicht Hoffenheim sondern Anderlecht. Gegen Anderlecht hatte Werder ja auch aus einem 0:3 ein 5:3 gemacht. Dafür aber 45 Minuten gebraucht, Pennigbüttel hat das alles innerhalb von einer Viertelstunde erledigt.
Ja, das ist einfach unglaublich. Darüber hinaus hatten wir in dieser Phase auch noch einen Kopfball gegen den Innenpfosten und weitere große Chancen. Dann ist man in einer Art Flow-Erlebnis drin. Man schwebt in einem Hype, alles funktioniert, die Flanken kommen, die Kopfbälle gehen rein, man steht genau richtig, wenn der Ball zurückgelegt wird. Man schwimmt auf einer Welle des Erfolges, wie auch immer man das nennen möchte. Dinge, die man vorher trainiert hat, die klappen plötzlich.
Und was ging hinterher in der Kabine ab?
In der Kabine und auch im Training am Dienstag waren die ersten 70 Minuten des Spiels das Thema. Dass wir uns nicht auf den letzten 20 Minuten ausruhen dürfen. Weil das sicherlich nicht gegen jede Mannschaft so klappen wird. Wir dürfen diese 70 Minuten nicht aus dem Kopf streichen. Da müssen wir an der Einstellung und an der Aggressivität arbeiten.
War das wirklich so, dass nach diesem verrückten Finale dann in der Kabine über die schlechte Phase zuvor diskutiert wurde?
Zunächst war natürlich die Freude über den Sieg das Thema. Man konnte das ja selber gar nicht so recht glauben. 70 Minuten lang arbeitet man sich keine richtigen Chancen raus und plötzlich geht es Schlag auf Schlag. Aber nach und nach, wenn man den Spielverlauf Revue passieren ließ, dann wurden die ersten 70 Minuten natürlich zum Thema.
Haben Sie zuvor schon einmal ein so verrücktes Spiel miterlebt?
Wir hatten so etwas ähnliches schon einmal. Damals in Dannenberg, in unserer Meistersaison. Aber so extrem wie jetzt mit den fünf Toren in den letzten Minuten war das damals nicht.
Als Sie nach Hause gekommen sind, wird Ihre Lebensgefährtin Sie ja sicherlich gefragt haben, wie das Spiel ausgegangen sei. Was haben Sie ihr denn da geantwortet?
Erst mal natürlich, dass wir gewonnen haben. Und dann: Aber du wirst nicht glauben, wie das Spiel verlaufen ist . . .